November 2016

„Unter den bisherigen Preisträgern sind Namen wie Jürgen Tarrach, Reinhold Bohrer und Ingrid Heinze. So große Namen – und jetzt stehen wir hier!“, war Bernhard Barwinski beeindruckt. Der erste Vorsitzende der Privat-Musikkapelle Scherpenseel durfte im Namen seines Vereins zusammen mit dem Dirigenten Günter Preuth den sechsten Kunst- und Kulturpreis der Stadt Übach-Palenberg entgegennehmen.

Während Barwinski staunte, waren sich alle Anwesenden im Pädagogischen Zentrum des Schulzentrums einig, dass diese von der Volksbank eG Heinsberg und der Sparkassen-Kunststiftung gestiftete Auszeichnung verdient war. Oder wie es der Laudator Klaus Dieter Kroll von der Volksbank formulierte: „Die Jury lag wieder goldrichtig und hat einen Volltreffer gelandet.“ Ob aus Zufall oder nicht, der Kunst- und Kulturpreis kommt für die 60 aktiven Musiker in einem ganz besonderen Jahr. Seit 1906 existiert die Privat-Musikkapelle Scherpenseel; somit feiert sie dieses Jahr ihr 110-jähriges Jubiläum. „Das ist die absolute Krönung eines erfolgreichen Jubiläumsjahres“, freute sich Barwinski. 

Doch wie kommt es, dass ein Verein, der seit mehr als 100 Jahren besteht und sich mit Blasmusik beschäftigt, immer wieder neue Mitglieder bekommt und sich im Gegensatz zu vielen anderen traditionellen Musikvereinen und Chören nicht über Nachwuchssorgen beklagen kann? Das Zauberwort, das während der Preisverleihung immer wieder fiel, war die Jugendarbeit. Der Verein veranstaltet in Grundschulen Blockflötenklassen, führt die Kinder an die verschiedenen Blasinstrumente heran und bietet Instrumentalunterricht an. Erste Orchestererfahrungen sammeln die neuen Mitglieder im Nachwuchsorchester, und auf der traditionellen Herbstfahrt lernen sich die Jüngsten näher kennen. „Die Jugendarbeit darf man nicht schleifen lassen“, erklärte die Schriftführerin Jana Barwinski, doch von einer solchen Problematik kann beim Verein keine Rede sein. Die Erfolge dieses Engagements lassen sich sehen: Mehr als ein Drittel des Orchesters sind Jugendliche, und das jüngste Mitglied des „großen“ Orchesters ist erst 14 Jahre alt, das älteste im Gegensatz dazu 80. Alina Seeber, eine der jungen Erwachsenen im Verein, erklärt die Faszination so: „Der Gruppenzusammenhalt ist einfach schön.“ Sie habe in den letzten Jahren im Orchester viele gute Freundschaften geknüpft. Dabei sei sie eigentlich nur eingetreten, um ein bisschen Musik zu machen, nachdem sie mit dem Querflötenunterricht aufgehört hatte. 

Die „Wahnsinns-Jugendarbeit“ sei nach Martina Waliczek, Kulturbeauftragte der Stadt Übach-Palenberg, der Hauptgrund, aus dem die Privat-Musikkapelle Preisträgerin geworden ist. Nach der Jury hatte die Kapelle auch den Kulturausschuss überzeugt. Jugendarbeit ist aber nicht alles, womit der Verein überzeugt hatte. Bürgermeister Wolfgang Jungnitsch lobte nicht nur den hohen Stellenwert der Musikkapelle innerhalb des Stadtlebens, sondern hob in seiner Begrüßung auch die Bekanntheit über die Stadtgrenzen hinaus hervor. So spielen die Musiker auf Veranstaltungen in Übach-Palenberg, aber auch immer wieder als Gast auf der Bühne des Aachener Weihnachtsmarktes. „Wer etwas von Musik versteht, der weiß, welche Leistungen die Privat-Musikkapelle Scherpenseel erbracht hat“, meinte Jungnitsch. Auch Dr. Richard Nouvertné, Vorsitzender der Sparkassen-Kunststiftung, stellte in seiner Ansprache die Frage nach dem Erfolgsrezept des Vereins. Ob es nun das breite Vereinsleben sei oder die Vielseitigkeit des Repertoires von klassischer Blasmusik bis zu aktuellen Hits, darauf wollte er sich nicht festlegen.

Eine musikalische Antwort brachte die Musikkapelle im Rahmenprogramm der Preisverleihung. Auch wenn nicht das ganze Orchester auf der Bühne stand, verdeutlichte die Combo „Brass mit Spaß“ der Musikkapelle das breite Repertoire mit dem barocken „Trumpet Tune“ von Jeremiah Clarke als heroische Festmusik und dem rhythmischen „Soul Bossa Nova“ des Afro-Amerikaners Quincy Jonas. Eine weitere musikalische Farbe brachte Sarah Elena Esser mit ihrer kräftigen Pop-Stimme in die Veranstaltung. Akustisch begleitet von Yannik Richter an der Gitarre und Thomas Preuth an der Cajòn wurde Andreas Bouranis „Auf uns“ kurzerhand umgeschrieben und der Musikkapelle als Siegeshymne gewidmet.

So sprach doch die Musik das letzte Wort. Oder vielleicht das vorletzte, denn als Moderatorin Martina Waliczek zum Imbiss und Umtrunk einladen wollte, kam unerwartet eine Abordnung des Instrumentalvereins Herbach auf die Bühne, um der befreundeten Privat-Musikkapelle Scherpenseel ein ganz besonderes Geschenk zu übergeben: Einen Taktstock für den Dirigenten Günter Preuth und die Noten der böhmischen Polka von Kurt Gäble. Da sprach der Liedtext die ganze Botschaft aus: „Wir Musikanten, vereint durch Spiel und Gesang, sind befreundet ein Leben lang.“

Quelle: Geilenkirchener Zeitung, 07.11.2016, Annika Wunsch, Fotos: Toni Stumpf

   
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